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„Jede einheimische Pflanze ist Superfood“: Experte räumt mit Ernährungs-Mythen auf

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Experte in Sachen Ernährungstrends: Zahlreiche Besucher verfolgten den Vortrag von Hans Hauner im Freisinger Lindenkeller. Der Mediziner weiß, welchen Einfluss welche Lebensmittel auf den menschlichen Körper haben.
Experte in Sachen Ernährungstrends: Zahlreiche Besucher verfolgten den Vortrag von Hans Hauner im Freisinger Lindenkeller. Der Mediziner weiß, welchen Einfluss welche Lebensmittel auf den menschlichen Körper haben. © Lehmann

Um die richtige Ernährung ranken sich viele Mythen. Mediziner Hans Hauner forscht dazu am Wissenschaftszentrum Weihenstephan. Er erklärt, worauf es bei gesunder Ernährung ankommt.

Freising – Ein weiteres Mal lockte die Vortragsreihe „TUM@Freising – Wissenschaft erklärt für alle“ Wissbegierige in den Lindenkeller. Diesmal erwartete die Zuhörer ein Thema, das jeden betrifft: Ernährung. Mit dem Mediziner Hans Hauner, von der TU und Wissenschaftszentrum Weihenstephan hatte man einen Dozent, der Experte ist in Sachen Ernährungstrends und genau weiß, welchen Einfluss Lebensmittel auf den Körper haben. Wie gut essen die Deutschen und was beeinflusst unsere Essgewohnheiten? Das FT hat nachgefragt.

Herr Hauner, wie ernähren sich die Deutschen?

Herr Hauner, wie ernähren sich die Deutschen?

Seit Jahrzehnten weitgehend unverändert ungünstig, würde ich sagen. Das heißt viel Fleisch, relativ viel Fett, reichlich Süßigkeiten, viel Brot und das gut belegt vor allem mit Wurst. Außerdem wird gern zu viel gesalzen. Bei Obst und Gemüse halten sich die Deutschen immer noch zurück. Alles in allem ist die Ernährung hierzulande eher so mittelprächtig.

Gibt es denn Unterschiede, zum Beispiel zwischen den Generationen?

Gibt es denn Unterschiede, zum Beispiel zwischen den Generationen?

Es gibt große Unterschiede hinsichtlich Bildungsstand und finanzieller Lage. Je besser beides ist, umso gesünder ist die Ernährung.

Ist gesunde Ernährung also eine Frage des Geldes?

Ist gesunde Ernährung also eine Frage des Geldes?

Nein, ganz und gar nicht. Dazu gibt es zahlreiche Studien und Untersuchungen, die zeigen, dass man sich auch preisgünstig gesund ernähren kann. Wir haben in Deutschland ohnehin vergleichsweise niedrige Lebensmittelpreise. Aktuell geben die Deutschen nur zwischen acht und 14 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Das ist weit weniger als früher und weit weniger als in anderen Ländern.

„Die meisten schauen, ob es gut aussieht und billig ist“

Der Preis spielt also immer noch eine große Rolle bei der Kaufentscheidung.

Der Preis spielt also immer noch eine große Rolle bei der Kaufentscheidung.

Ja, eine größerer als die Qualität – anders als zum Beispiel bei den Franzosen oder den Italienern. Dort wird lieber etwas mehr Geld ausgegeben für bessere Produkte.

Wie steht es um den ethischen Aspekt?

Wie steht es um den ethischen Aspekt?

Der spielt leider keine große Rolle. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung legt Wert darauf. Die meisten schauen, ob es gut aussieht und billig ist. Es wird übrigens auch nicht sehr viel mehr vegetarisch gegessen, auch wenn man das wegen der vielen Medienberichte erwarten könnte. Da hat sich nur in bestimmten städtischen Kreisen etwas verändert. Grundsätzlich mag der Deutsche Altbewährtes, eben das, was er kennt. Er ist da relativ konservativ und traditionell.

Immer wieder kommt neues sogenanntes „Superfood“ auf den Markt, das die Lösung für alle Ernährungsfragen sein soll. Was halten Sie davon?

Immer wieder kommt neues sogenanntes „Superfood“ auf den Markt, das die Lösung für alle Ernährungsfragen sein soll. Was halten Sie davon?

Nichts. Das sind einfach Modetrends, die in Szene gesetzt werden. Oft sind das besonders exotische Lebensmittel aus fernen Ländern. Damit werden vor allem junge Menschen angesprochen. Diese haben Interesse daran. Von daher flutscht das Geschäft ganz gut. Aber tatsächlich ist auch jede einheimische Pflanze ein „Superfood“. Der Leinsamen zum Beispiel ist die einheimische Version des Chia-Samen. Oder alle unsere Beeren, der Rosenkohl… Es ist einfach eine erfolgreiche Geschäftsmasche des Marktes, an der aber nichts dran ist.

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Apropos Markt: Haben wir als Verbraucher nun Einfluss auf den Markt oder nicht?

Apropos Markt: Haben wir als Verbraucher nun Einfluss auf den Markt oder nicht?

Jein. Was der Kunde nicht kauft, verschwindet schnell wieder aus den Regalen. Also haben wir Käufer schon eine Mitsprachemöglichkeit. Jährlich werden rund 10.000 neue Produkte auf den Markt gebracht, die allermeisten verschwinden wieder nach kurzer Zeit. Aber der Handel versucht natürlich, seine Produkte sehr gut zu platzieren. Und Fertigprodukte sind aus Handelssicht leichter zu handhaben als Frischware.

Woran kann man sich beim Einkaufen orientieren? 

Woran kann man sich beim Einkaufen orientieren? 

Wichtig für den Verbraucher wäre eine bessere Lebensmittelkennzeichnung, da hapert es in Deutschland aber am Willen der Politik und der Industrie. Oft wird von Herstellern zum Beispiel die Herkunft des Fleisches bewusst verschwiegen, vor allem bei weltweit agierenden Konzernen. Auch in Sachen Nährstoffkennzeichnung hinken wir in Deutschland hinterher. In Frankreich hat man zum Beispiel ein Ampelsystem eingeführt, das auch andere Länder übernommen haben. Das ist einfach und klar für den Verbraucher. Damit erhöht sich auch der Druck auf die Industrie, gesündere Produkte herzustellen. Das zeigt sich zumindest dort, wo es bereits angewendet wird.

Fleisch- und Wurstwaren: Empfehlung liegt bei 300 bis 600 Gramm pro Woche

Wir haben viel darüber gesprochen, wie es nicht geht. Wie funktioniert denn nun gesunde Ernährung?

Wir haben viel darüber gesprochen, wie es nicht geht. Wie funktioniert denn nun gesunde Ernährung?

Ganz einfach: überwiegend pflanzlich, vielseitig und bunt. Etwa die Hälfte der Essmenge sollte aus Obst und Gemüse bestehen, damit bekommen wir genug Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe. Dafür sollten wir weniger Fleisch- und Wurstwaren essen. Die Empfehlung liegt bei 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche. Das ist übrigens auch eine Frage der Nachhaltigkeit. Ansonsten empfehlen wir Milchprodukte, sie gehören zu unserer Esskultur und liefern wertvolle Nährstoffe. Am Salz sollte man sparen und auch Zucker deutlich reduzieren.

Wie sieht Ihr persönlicher Speiseplan aus?

Wie sieht Ihr persönlicher Speiseplan aus?

Ich esse recht abwechslungsreich, gern italienisch, viel Salat und Vollkornbrot. Meinen Fleischkonsum habe ich deutlich reduziert, dafür esse ich gerne Milchprodukte. Ich bemühe mich bewusst um eine gesunde Lebensweise und ich fühle mich damit wohl und fit. Ich versuche mir Zeit zum Essen zu nehmen und zu genießen. Essen ist schließlich nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern ein sozialer Akt, der zur Lebensqualität beiträgt. Das sollten wir wieder mehr sehen.

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